Beim ersten Straubinger Nachhaltigkeitsgespräch von TUM-Campus und Verein Hochschulstadt zu „Klimakiller CO2“ mahnen Wissenschaftler zu größeren Anstrengungen

Bericht erschienen im Straubinger Tagblatt, 25.10.2023, Eva Bernheim

Die gute Nachricht, unabhängig von allen Inhalten: Die erste Auflage der Straubinger Nachhaltigkeitsgespräche stieß auf sehr große Resonanz. Gut 200 Gäste füllten den Stufenhörsaal im TUM-Campus-Gebäude an der Uferstraße komplett – eine bunte Mischung an Gästen, darunter Studierende, Handwerker, Kommunalpolitiker und interessierte Bürger.

Sie nutzten die Möglichkeit zum Dialog mit Experten und folgten konzentriert dem dreieinhalbstündigen Informationsangebot mit wissenschaftlichen Vorträgen und der anschließenden Einordnung aus Sicht von Bundes- und Kommunalpolitik sowie durch einen mittelständischen Unternehmer, professionell moderiert von BR-Wirtschaftsredakteur Gabriel Wirth.

Gruppenbild der Sprecher und Diskussionsteilnehmer

Experten, Politiker und ein Unternehmer beleuchteten das Thema „Klimakiller CO2“: (v.l.) Hubertus Bader (Nusser Mineralöl GmbH), Toni Hinterdobler (Verein Hochschulstadt), Prof. Sebastian Goerg (TUMCS), MdB Alois Rainer (CSU), MdB Lisa Badum (Grüne), Bernd Buckenhofer (Bayerischer Städtetag), Moderator Gabriel Wirth (BR) und Prof. Volker Sieber (Rektor TUMCS). Es fehlt auf dem Bild Prof. Hartmut Spliethoff (TUM), der krankheitsbedingt digital zugeschaltet war. Foto: Susanna Boxberger/TUM.

Das Thema des ersten Abends der Veranstaltungsreihe, initiiert vom Verein Hochschulstadt gemeinsam mit dem TUMCS, lautete „Klimakiller CO2 – Wo ist Handeln angesagt?“ Die eindeutige Antwort aus Sicht der Wissenschaft: Es muss gehandelt werden und zwar viel schneller als bisher. Der TUM-Experte Prof. Hartmut Spliethoff vom Lehrstuhl für Energiesysteme, der krankheitsbedingt digital zugeschaltet war, zeigte auf, wie das Treibhausgas CO2 sich auf die Atmosphäre auswirkt. Die hohe Konzentration sei eindeutig vor allem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht. Um eine weitere deutliche Erderwärmung zu verhindern und das angestrebte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, „müssen wir unsere Anstrengungen deutlich verstärken“.

„Wir brauchen unbedingt eine höhere Akzeptanz“

Dies bedeute einerseits die Einsparung von Energie aus fossilen Quellen als auch die Substitution. Bisherige Reduzierungen des CO2-Ausstoßes bewegten sich in Deutschland nur im Bereich von jährlich rund 40 Prozent. Laut einer Studie seines Lehrstuhls im Auftrag des Bund Naturschutz, wie Bayern in den Bereichen Strom, Mobilität und Wärme bis 2040 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgt werden könnte, müsste vor allem die Windkraft „maximal“ ausgebaut werden, aber auch die Photovoltaik, gleichzeitig der derzeitige Verbrauch deutlich sinken. Politisch nicht gewollt seien in Deutschland die Speicherung und Abspaltung von CO2. Weniger Potential sah Spliethoff auch beim Wasserstoff: Dieser könne auch künftig nur 4,5 Prozent des Primärenergiebedarfs decken, dies entspreche etwa dem gegenwärtigen Wert.

Spliethoffs Fazit: „Jeder muss seinen Beitrag leisten.“ Er bezog sich damit auch auf häufig gebrauchte Argumentation, Deutschland habe am weltweiten CO2-Ausstoß nur einen verschwindend geringen Anteil. „Wir als Industrieländer sind da aufgrund der Historie gefordert.“

Prof. Sebastian Goerg vom TUM-Campus Straubing beleuchtete unter anderem die möglichen politischen Lenkungsinstrumente. Er brach dabei eine Lanze für die CO2-Bepreisung, aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers „das Mittel der Wahl“, denn es entstehe ein echter Markt und Anreize für Technologien, die CO2 reduzieren. Entscheidend sei jedoch, dass jetzt die Einnahmen in Form eines Klimageldes den Bürgern zugutekommen, dies forderten mittlerweile sogar Wirtschaftsexperten unisono mit Klimaschützern.

„Wir brauchen unbedingt eine höhere Akzeptanz, sonst haben wir langfristig ein Problem“, sagte Goerg, denn die höre bei vielen Menschen auf, wenn es um die Kosten des Klimaschutzes gehe. „Wenn wir so langsam vorgehen wie bisher, wird es meinen Kindern nicht mehr so gut gehen.“

Diskussion: Von Atomkraft bis Wärmeschutzverordnung

Bei der anschließenden Diskussion äußerten sich die beiden TUM-Experten auf eine Frage aus dem Publikum unterschiedlich zum Thema Atomkraft. Während Prof. Sebastian Goerg den Anteil von sechs Prozent an der Gesamtstromerzeugung als nicht relevant einstufte, fand Prof. Hartmut Spliethoff, man hätte durch den Weiterbetrieb wenigstens Zeit gewonnen. An einen Neubau von Kernkraftwerken sei jedoch nicht zu denken.

Die Grünen-Energieexpertin MdB Lisa Badum (Grüne), lenkte den Fokus auf das bereits Erreichte, „aber wir können natürlich immer noch besser werden.“ Es sei Zeiten des Populismus wichtig, zuversichtlich zu bleiben, die Wärmewende sei zum „Kulturkampf“ umgemünzt worden und viele Fake News verbreitet worden. Das Klimageld werde kommen. Sie sah große Potentiale bei der Einsparung und der Erzeugung von Energie im eigenen Land, Strom sei effizienter als die Verbrennung von Öl und Gas. Pessimistisch äußerte sich der Straubinger Unternehmer Hubertus Bader (Nusser Mineralöle). Selbst wenn der gesamte Strom durch erneuerbare Energien erzeugt würde, wäre man immer noch auf fossile Brennstoffe angewiesen. Die derzeitige Klimapolitik sei „unsozial“, da sich die meisten Menschen weder den Heizungsneubau noch ein Elektroauto leisten könnten. Er warnte auch vor der Abwanderung von Unternehmen ins Ausland wegen hoher Energiepreise.

MdB Alois Rainer (CSU), Vorsitzender des Finanzausschusses im Bundestag, zeigte sich überzeugt davon, dass sich Elektroautos durchsetzen würden, bezeichnete jedoch das Gebäude-Energiegesetz der Ampelregierung als „Murks“. Auch er betonte die Wichtigkeit der Akzeptanz von Klimapolitik, „denn ich will nicht, dass bald eine Partei das Sagen hat, die den Klimawandel leugnet“.

Bernd Buckenhofer, Geschäftsführender Vorstand des Bayerischen Städtetages sagte, die Städte müssten neben der Dekarbonisierung auch die Folgen des Klimawandels stärker in den Blick nehmen, etwa mit Begrünung und der Freilegung von Gewässern. Mit der Umsetzung der Wärmeschutzverordnung in Bezug auf Nah- und Fernwärme seien die Kommunen außerordentlich gefordert. Den geballten Input brachte der Rektor des TUM-Campus, Prof. Volker Sieber am Ende auf den Nenner: „Es ist komplex.“ Außer dem CO2-Ausstoß gebe es noch zahlreiche weitere Gefahren für das Klima und „alle Themen sind extrem miteinander vernetzt.“ Anstoß für die Initiatoren, weiterzumachen. „Wir wollen zeigen, was wir mit der Straubinger Expertise bewirken können“, sagte Toni Hinterdobler, Vorsitzender des Vereins Hochschulstadt Straubing.